Mein visueller Jahresrückblick ist seit heute endlich vorbei, und ich dachte mir, dass ich zusätzlich noch einen Schriftlichen machen werde, in dem ich versuche, das Jahr 2011 nochmal in Kurzfassung zu rekonstruieren.
Das Jahr fing gemeinsam mit einem guten Menschen in Göttingen an. Die ersten Stunden waren vor allem voller Alkohol und witziger Telefonanrufe. Der Weg nach Hause war eisig und rutschig. Und ich erinnere mich noch an den Kerl, der uns nach dem Weg fragte, das war ein bisschen lustig. Ansonsten kann ich mich an den Januar kaum erinnern. Ich hatte viel für die Uni zu tun. Oh, eine Sache weiß ich noch: Der unglaublich gutaussehende Julian und ich fingen an, unser Lyrikprojekt „Steinmenschen bauen“ zu planen – was sich als sehr viel Arbeit, aber auch als viel Spaß rausstellen sollte.
Im Februar war ich, soweit ich mich erinnern kann, einfach nur froh, dass das Semester vorbei war. Ich hatte sehr viele thematische Kurse, für die ich immer viel tun musste – das schlaucht ganz schön. Nebenbei fing ich an, meine BA-Arbeit zu planen. Und ich fing an, mich um meine Hausarbeiten zu kümmern. Wenn man um die 800 schreiben muss, sollte man früh damit anfangen.
Der März ist noch deutlicher in meiner Erinnerung. Ich fuhr mit dem unglaublich gutaussehenden Julian nach Köln, um mit meiner Schwester zusammen Karneval zu feiern. Ich, als Kind des Nordens, war anfangs sehr skeptisch. Aber danach habe ich Karneval geliebt. Die Stimmung war großartig und die ganze Stadt ist einfach im Ausnahmezustand, das war wunderbar. Ich habe außerdem gelernt, dass man betrunken keine Menschen anrufen sollte und habe Versprechen gegeben. Im März wurde auch mein 23. Geburtstag gefeiert, ich erinnere mich gut, und die Erinnerungen sind wunderschön. Ich habe gelernt, dass ich keine Angst vor dem Alter haben muss. Ein anderes Highlight im März war, dass der unglaublich gutaussehende Julian und ich unsere Lyrik drucken ließen und abholen konnten. Das war am 12. März. Wie unglaublich schön es war, seine eigenen Texte gedruckt und gebunden in der Hand zu halten. Hach.
Im April ging ich mit dem unglaublich gutaussehenden Julian zu einer besonderen Party, auf der wir ganz besonders schön aussahen. Da war auch ein Überraschungsgast, der eigentlich am anderen Ende der Welt hätte sein müssen, aber er war da, und das war schön. Im April fing ich außerdem an, hier zu bloggen. Ich hatte keine Ahnung, was dabei rauskommt und weiß es auch immer noch nicht, aber es macht mir Spaß. Und dadurch bin ich auch auf viele andere, teilweise sehr tolle, Blogs gestoßen. Ich stand außerdem am Deich, das war an einem warmen Tag im April. Ein paar Tage später sah ich in Hannover die Band We Invented Paris, eine Band, die wirklich niemand verpassen sollte.
Im Mai ist einiges passiert. Ich hatte mich für meine BA-Arbeit angemeldet und war total motiviert. Der unglaublich gutaussehende Julian und ich hatten einen offiziellen Auftritt mit unseren Werken, das war wirklich etwas ganz Besonderes. Das Dumme war bloß, dass ich mir auf dem Weg dahin meinen Fuß verstauchte. Das war sehr schmerzhaft, ich verbrachte den Nachmittag dann in der Notaufnahme und abends mit guten Freunden. Ich musste weinen und wusste, dass ich gestützt werde. Der Unfall hat mich aber nicht davon abgehalten, Ende Mai zum Windtypen zu fahren, um bei ihm im Kaff Madsen live zu sehen. Das war auch wunderschön. Außerdem schrieb ich die ersten zehn Seiten meiner BA-Arbeit und habe nebenbei eine andere Arbeit korrekturgelesen. Meine Leidenschaft für Anemometer fing an. Und ich fing an, mich mit einem wichtigen Teil meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Viele Jahre habe ich das nicht verarbeitet, kaum drüber geredet, aber ich wusste, es muss raus. Und ich habe es getan, auch wenn es nur ein Anfang war und wenn ich heute immer noch manchmal das Gefühl habe, ohne das alles nicht wirklich vollständig zu sein.
Wenn ich an den Juni denke, habe ich das Gefühl, dass der ganze Monat irgendwie an mir vorbeigezogen ist. Ich habe weiter an meiner BA-Arbeit geschrieben. Außerdem hatte ich endlich die nötige Anzahl an Credits, um mich für den Master zu bewerben. Mal wieder völlig ahnungslos und ohne Ziel ging ich an die Sache ran. Tagelang saß ich am Rechner, habe Bögen ausgefüllt, Unterlagen zusammen gesucht und Anträge weggeschickt. Das war sehr nervenaufreibend. Dabei die ganze Zeit im Hinterkopf zu haben, dass man die geliebte Wohnung und noch mehr geliebte Menschen bald verlässt, macht das ganze Vorhaben nicht gerade leichter.
Im Juli war mein letztes Semester in Göttingen vorbei. Und damit auch mein lässigstes Semester, denn ich hatte den ganzen Sommer über nur zwei Kurse, und die waren an einem Tag. Ich habe mit dem unglaublich gutaussehenden Julian endlich unsere letzte mündliche Prüfung in Angriff genommen. Ich schrieb weiter an meiner BA-Arbeit, von der ich übrigens nicht ein einziges Mal genervt war. Und ich habe im Juli gelernt, dass nicht nur Ringe, die in meiner Geldbörse sind, brechen können. Ich habe gelernt, dass ich im Loslassen nicht gut bin. Ich habe gelernt, dass es mir nichts ausmacht, weinend durch die Innenstadt zu laufen, wenn ich weiß, dass da jemand auf mich wartet, der mich hält. Ich habe gelernt, dass es einfach nicht meine Schuld war. Ich habe realisiert, dass drei Jahre mit einer Person in der Nähe einfach mal vorbei waren. Ich habe gelernt, so viel zu weinen wie noch nie zuvor (glaube ich). Ich habe gelernt, dass dieses eine Lied mich immer noch wahnsinnig fertig macht. Ich habe gelernt, dass ich nie alleine bin, niemals. Abschiede hasse ich immer noch.
Im August war eine Entscheidung für meine Zukunft zu machen. Die ersten Zusagen für den Master trudelten ein und ich traf eine Vernunftsentscheidung. Zum Glück kam einige Tage später der Moment, in dem ich diese Entscheidung rückgängig machen konnte und dem folgte, was meine Intuition mir sagte. Ich entschied mich für ein Master-Studium in Bremen. Ich bin viel Zug gefahren, weil ich anfing, nach Wohnungen und Zimmern zu suchen. Ich hatte außerdem endlich meine BA-Arbeit abgegeben, was ein wahnsinnig befreiendes Gefühl war. Noch befreiter war ich, als ich im August mit dem Windtypen nach Hamburg fuhr und ich gesehen habe, dass es diese Stadt auch wirklich gab, nicht nur in Texten und meiner Arbeit. Wir standen an den Landungsbrücken, während wir „Landungsbrücken raus“ von Kettcar hörten und zählten Kräne, während wir „Kräne“ von Gisbert zu Knyphausen hörten. Ich wusste, dass diese Stadt das alles verdient hatte.
Zwischen Wohnungssuche in Bremen schrieb ich in Göttingen noch an meiner allerletzten Hausarbeit. Das war im September, meinem letzten Monat in Göttingen. Die Suche hat mich zur Verzweiflung gebracht: Das Angebot war minimal, die Anfrage maximal. Ich war am Ende. Weil ich nichts gefunden hatte, entschied ich mich, erst mal wieder in meine alte Heimat zu ziehen. Ich fing an, meine Sachen zu packen. Ich habe gelernt, dass es irgendwie möglich ist, drei Jahre leben in ein paar Kisten und Säcke zu verpacken. Ich fing an, traurig zu werden – drei Jahre konnten, durften doch nicht so schnell vorbei sein. All die Menschen, all die Liebe. Was passiert damit? Ich weinte mal wieder viel und hörte mir an, dass das alles ja nichts ändern würde. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich die Stadt zum letzten Mal sah. Einfacher wäre es gewesen, mich in den Zug zu setzen und mich wegfahren zu lassen. Aber stattdessen saß ich im Auto und musste mich selbst wegbringen und selbst machen, dass ich alles hinter mir lasse. Das war einer der schwierigsten Schritte, die ich je gegangen bin. Die ersten 20 km habe ich nur geweint. Es ging mit den Tränen noch, zumindest so lange, bis man mir in der Stadt sagte, ich solle nicht weinen. Ich fühlte mich dann später, als würde ich einen Schritt zurückgehen – nach drei Jahren auf eigenen Beinen wieder Zuhause zu wohnen war irgendwie schmerzhaft für mich. Ich habe mich zurückgezogen und musste zunächst alles verarbeiten, und das tu ich noch.
Nach ein paar Tagen im Selbstmitleid nahm ich mein Schicksal wieder in die Hand und machte auch Anfang Oktober mit der Wohnungssuche weiter. Ich sah viele Zimmer, traf viele Leute. Und dann verliebte ich mich in die Traum-WG in der Traum-Wohnung. Am 14. Oktober bin ich hier eingezogen, ein Schritt, den ich noch nie bereut habe. Das WG-Leben tut mir überaus gut. Beim Umzug waren tolle Helfer dabei und ich war froh, die erste Nacht nicht hier alleine verbringen zu müssen. Ich saß im Riesenrad und wusste, dass ich hier sein wollte. Dass ich diese Stadt liebte. Ein anderes Highlight des Oktobers war, dass ich Besuch vom unglaublich gutaussehenden Julian bekam. Wir waren gemeinsam auf dem Konzert von Casper, was wirklich sehr schön war. Und ich habe meine Schwester spontan im Viertel auf der Straße getroffen. Dann weiß man, dass man richtig liegt. Und die Uni fing an. Erste Menschen trafen sich.
Im November versuchte ich mich an die neue Uni zu gewöhnen, was mir bis heute schwer fällt, weil hier einfach alles so anders ist als in Göttingen. Und es fällt mir schwer, das System, das ich die letzten drei Jahre gelernt habe, zu vergessen. Immer wieder im November hatte ich Sehnsucht nach Göttingen, weniger nach der Stadt als nach dem Gefühl und den Leuten. Ein Problem, das beizeiten immer noch besteht. Trotzdem gab es mehrere Highlights im November. Eins davon ist definitiv das Konzert von Deep Sea Diver, das ganz geheim und akustisch in einem wunderschönen Haus in Fischerhude stattfand. Da war ich mit dem Windtypen und ich fühle immer noch die Stimmung. Das war ein schönes Erlebnis. Ein anderes Highlight war die WG-Party, die harmlos anfing, dann in einer endlosen Eskalation endete. Ich habe mich über viele Leute, die hier waren, gefreut und hatte einen fabelhaften Abend, der sicher nochmal wiederholt wird bei Gelegenheit.
Weniger schön war, dass ich die Erkältung, die ich Ende November bekam, mit in den Dezember genommen hatte. Demnach sind in diesem Monat nicht viele abgefahrene Sachen passiert – ich habe Plätzchen gebacken, es kam ein neuer Mitbewohner, und noch immer bereue ich es nicht, hier mit den Boys zu leben. Das hier ist mein Zuhause. Das Highlight im Dezember war definitiv das Konzert von William Fitzsimmons, den ich zusammen mit dem Windtypen gesehen hatte. Von der Stimmung her hatte mich das ein wenig an das Konzert von Damien Rice 2007 erinnert. Es war einfach wunderschönst. Ich höre jetzt noch die Stille, die dieser Mensch mit seiner Musik hervorrufen konnte. Danach wurde ich noch kranker, aber ich wurde auch gut gepflegt. Ich habe gelernt, dass ich zu dem Geräusch von Nadel und Faden sehr gut einschlafen kann. Ich bekam außerdem noch Besuch vor Weihnachten und demnach gab es endlich mal wieder lange und ausführliche Mädchengespräche. Mein Weihnachten war ruhig, ich habe mich viel ausgeruht und bin nun endlich wieder einigermaßen gesund. Gestern habe ich mit dem Windtypen in Hamburg den letzten Glühwein für dieses Jahr getrunken. Gerade sitze ich auf unserem Flur, schreibe das hier, und werde mich danach fertig machen und Sachen packen und dann wegfahren. Es gibt einen Abstecher in die Heimat, dann geht’s ein paar Kilometer weiter zu Mädchengesprächen und Cosmopolitans und Sekt. Ich freue mich.
Je mehr ich schreibe, desto mehr Sachen fallen mir aus diesem Jahr ein, die man unbedingt noch erwähnen sollte. Aber ich werde es lassen. Das Jahr war anstrengend genug – ich habe die Stadt gewechselt, die Uni, die Wohnung, habe seit diesem Jahr meinen ersten offiziellen akademischen Titel und die ganze Arbeit war hart. Irgendwie ein Jahr wie jedes andere, irgendwie auch nicht. Ich werde mich an 2011 erinnern, während ich mich auf 2012 oder was auch immer freue. Mal schauen, was so passiert. Ich hab Bock drauf.
Ein ziemlich aufregendes Jahr, wie ich finde!!
AntwortenLöschenDein Blog finde ich sehr interessant..hast du vielleicht Lust auf ggs. verfolgen??
lg
sophia-be-different.blogspot.com
Hallo Herdis.
AntwortenLöschenNun habe ich lange nix geschrieben, aber gelesen habe ich trotzdem. Ich wünsche Dir ein schönes neues Jahr in Bremen:))))