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Dienstag, 7. Januar 2014

besser dran ohne schlafstörung

was ist denn das für eine welt, diese hier, in der demos nicht mehr stattfinden sollen, gelogen wird über anfänger und angreifer, in der mehr berichtet wird über stürze und prellungen als über das, was uns wirklich wehtun sollte, in der der schock seit monaten anhält, in der es länder gibt, die liebe unter strafe stellen - was für eine welt soll das sein, in der man besser dran ist ohne schlafstörung.

(und ich frage mich: welche verletzung brauche ich, um im minutentakt in den medien zu sein? und selbst wenn: ist es dann nicht trotzdem nach sieben sekunden wieder vergessen? alles wird vergessen. und verrücktwerden wird immer mehr mit jedem tag zu einer angemessenen alternative.)

Montag, 8. Oktober 2012

Hoffentlich bleibt es bei Fiktion

Achtung, jetzt geht es um Literatur.

Vor einigen Tagen war ich im Buchladen unterwegs. Da bin ich gerne und sehe mich stundenlang um. Ich sah dort ein Buch, das mir ins Auge sprang. Das Cover ist weiß, man sieht darauf nur eine Frisur mit Seitenscheitel und der Titel steht in viereckiger Form etwa da, wo bei Männern der Oberlippenbart ist. Und das Buch heißt: Er ist wieder da, geschrieben von Timur Vermes. Ich las, was auf dem Buchrücken steht: Es ginge um Hitler, ja, den bösen Hitler, und wie dieser im Jahr 2011 wieder lebt und in unserer modernen Welt klarkommt. Ich fand den Inhalt interessant, auch, wenn es nicht unbedingt was Neues ist, Hitler in Fiktion einzubauen. Und dann sah ich den Preis: Das Buch soll 19,33 Euro kosten. Ich musste im Laden laut auflachen - dieses Groteske hat mich dann auch dazu gebracht, das Buch zu kaufen und kurz danach fing ich an, es zu lesen. Von den fast 400 Seiten habe ich bisher fast 300 gelesen, weswegen ich die komplette Handlung noch nicht kenne.

Wie ich bereits erwähnte, geht es in Er ist wieder da um Hitler, der im August 2011 in Berlin plötzlich wieder aufwacht. Das Buch ist aus Hitlers Perspektive erzählt. Zunächst ist er ziemlich verwirrt, weil er Berlin zwar erkennt, aber ihm irgendwie doch fremd ist. Von den Menschen wird er jedoch erst nicht erkannt. Er lernt dann einen kennen, der ihn für einen Comedian hält und ihn schließlich an eine Produktionsfirma weiterleitet. Diese wiederum bringen ihn groß raus, indem er Teil einer Comedyshow wird. Zunächst als Nazi verschrien, wird sein Gerede schließlich als Kunst gelobt und er gewinnt sogar den Grimme-Preis. Weiter habe ich noch nicht gelesen.

Es ist faszinierend, was für einen Blick der Erzähler, also Hitler, auf unsere heutige Zeit hat. Ähnlich naiv wie Hans Paasche beschreibt er hier Dinge, die für uns ganz normal sind, er aber nicht kennen kann - schließlich hat er mehr als 60 Jahre Entwicklung und Geschichte verpasst.

Besonders wegen des distanzierten Blicks auf die Welt wird hier ziemlich viel Kritik deutlich. Hitler bleibt bei allem, was er sagt und meint alles sehr ernst. Dadurch werden seine Überzeugungen deutlich, was, ganz ehrlich gesagt, nichts für schwache Nerven ist, teilweise. Doch der Fokus liegt hier eindeutig in der Kritik an unserer Gesellschaft, die deutlich wird. Allein schon, dass die Menschen ihnen am Anfang des Romans nicht erkennen, zeigt auf, wie ungebildet viele Teile der Gesellschaft sind. Was er dann alles so von sich gibt, also Fakten seiner politischen und persönlichen Vergangenheit, nimmt tatsächlich niemand ernst. Stattdessen wird gelacht. Ein Hinweis darauf, dass unsere Gesellschaft so sehr abgestumpft ist und nichts mehr ernstnehmen kann? Gut möglich. Natürlich kommen, als er seine ersten Shows im Fernsehen hinlegt, auch kritische Stimmen auf - in der Bild-Zeitung. Auch diese und deren Macharten werden hier extrem negativ dargestellt und auf die Schippe genommen. Irgendwie schafft das Hitler-Ich es dann doch, die Bild auszuspielen und steht als Guter da. Aus Sicht vieler Menschen, mir inklusive, ist es durchaus ein sympathischer Schachzug, gegen diese 'Zeitung' zu arbeiten. Daraufhin steigt der Erfolg des vermeintlichen Comedians ins Extreme - was er sagt, wird zu Kulturgut und die Produzenten, selbst Opfer der Medienbranche, wollen nur eins: Mehr Erfolg, mehr Quoten, mehr Kontroversen, mehr Aufmerksamkeit, mehr Ruhm, mehr Geld. Dass das von Hitler Gesagte als Bedrohung gelten könnte, steht noch nicht mal zur Debatte. Dass er, aufgrund seines Comedien-Daseins, vollkommene künstlerische Freiheit genießt, zeigt zwar, dass wir bezüglich Zensur und so zwar um einiges weiter sind als damals unter Hitlers Herrschaft - und auch, dass wir nicht einsehen, wie auch Medien die Menschen beeinflussen können. Immer wieder besteht Hitler darauf, dass er wirklich Hitler ist - und niemand glaubt ihm, alle denken, er spiele seine Rolle extrem gut, und als würde er das ganze Konzept durchziehen, denken, er würde seinen wahren Namen nicht sagen, weil er seine Privatsphäre schützen wolle - und schließlich könnte es ja auch gar nicht sein, selbst wenn man ihm glauben würde. Trotzdem kann jemand, auch heutzutage, aus dem Nichts kommen, ein Niemand sein, die Massen erreichen, mit dem schwachsinnigen Gerede tausende Anhänger finden und sogar als kulturelles Gut gelten. Das wirft wiederum die Frage auf: Was haben wir in den letzten 60 Jahren gelernt? Wie wenig das ist und wie verkorkst unsere Gesellschaft eigentlich ist, zeigt Vermes mit dem Buch extrem gut, drastisch, schockierend, extrem halt - und witzig. Er lässt Hitler dabei durchaus als eine sympathische Figur gelten - zumindest teilweise. Und ich muss immer wieder lachen - sehr laut. Trotzdem: Hoffen wir mal, dass es hier bei Fiktion bleibt.




Hier das oben beschriebene Cover; Quelle: Hier.