Freitag, 29. April 2011

Ich bin der Wind.


Ich bin der Wind. Furchtlos und unerschrocken komme ich hierher. Stürme alles weg, was mir im Weg liegt. Was auf den Wegen liegt. Ich reiße den Bäumen die Blätter von ihren Armen. Mensch, heb sie auf und trockne sie in großen Büchern. Ich schicke die Flugschirme der Blumen in die Luft, damit du dir etwas wünsche kannst. Sie bleiben dir im Haar hängen, wenn ich nicht da bin und sie weiterschicke auf ihrer Reise.
Ich komme nicht ohne Nutzen. Funktion. Mach Energie aus mir. Aber mich greifen, mich in all meinen Einzelheiten begreifen, das funktioniert nicht. Ich kündige mich nicht an, bin einfach da, und dann schon wieder weg. Fassen kannst du mich nicht, nur mich spüren auf deiner Haut, auf der sich plötzlich Haare aufstellen. Im Vorbeigehen durchwühle ich deine Haare, bis sie durch die Luft fliegen, mit mir im Takt. Ich verforme deine Gesichtszüge, für einen Moment hast du sie nicht unter Kontrolle. Ich krabbel in deine Augen und klaue ein paar Tränen.
Zieh dich warm an heute Nacht. Denn ich mag die Nacht. Da kann ich wandern, ohne viele Leute zu stören. Und ich werde dich besuchen. Dein geschlossenes Fenster werde ich aufreißen, alle Zettel aufwühlen, dir kurz durchs Gesicht streifen und deine Decke anheben, damit ich für einen Augenblick bei der liegen kann. Wach bloß nicht auf, merk bitte nicht, dass ich da bin. Ich verschwinde wieder. Ich muss. In geschlossenen Räumen kann ich nicht existieren. Ich verschwinde lautlos, fast lautlos, und lasse dein Fenster offen. Zieh dich warm an heute Nacht.

1 Kommentar:

  1. Oh, das ist gut! Vor allem, wenn man's interpretieren kann ;). Gefällt mir sehr.

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