Dienstag, 10. Mai 2011

Ich bin ein Kind, ich darf das.

Kindheit, wo bist du? Ich vermisse dich. So, so sehr. Ich vermisse es zu sein, wie ich damals war.
Ich will wieder Bücher von Janosch lesen und die Bilder sehen. Ich habe genug von all der hohen Literatur, die sich in meiner Wohnung sammelt und mich nervt. Ich will wieder zum ersten Mal bei einer Schulfreundin übernachten und mitten in der Nacht weinend aufwachen und mich von meiner Mutter abholen lassen. Das will ich, und nicht mich nicht ans Einschlafen erinnern und morgens nicht wissen, wo ich denn eigentlich gerade aufwache. Ich will mich mit dem Fahrrad auf die Fresse packen und mit den schlimmsten Schmerzen nach Hause krabbeln, will nicht wissen, dass das Herz eigentlich auch nur ein Knochen ist, den man sich brechen kann. Und ich will ‚Fresse‘ sagen, weil es tabu ist, und nicht, weil ich es eh jeden Tag sage. Ich will mich wieder dem Konfirmandenunterricht verweigern und nicht draußen auf den Straßen von wildfremden Menschen missioniert werden. Ich will wieder auf Kirschbäume klettern, auf Schaukeln sitzen, im Planschbecken fast ertrinken – wo seid ihr denn? Ich will wieder in der Grundschule sitzen und Bildergeschichten schreiben, und nicht in meiner eigenen Wohnung am Schreibtisch und Hausarbeiten runtertippen. Ich will mich wieder mit meiner Schwester über die sinnlosesten Dinge streiten und mich fürchterlich über sie aufregen, statt der Frau am Telefon zu erklären, wieso ich ihr System total bescheuert finde. Ich vermisse die Natur, ich möchte wieder zwischen Heuballen, Matsch und Feldern die Welt um mich vergessen und nicht mich in den Straßen der Stadt verirren und erkennen, wie schrecklich die Welt doch manchmal ist. Ich will die Zeit vergessen, will die Uhr noch nicht lesen können und nicht jeden Handgriff nach diesen verdammten 24 Stunden planen. Ich will wieder fast umsonst Zug fahren und fast umsonst um die Welt fliegen und nicht darüber nachdenken, wann ich mal wieder Geld für einen winzig kleinen Ausflug habe. Ich will wieder Träume haben, die größten der Welt, und nicht dabei zusehen, wie einer nach dem anderen von der Realität zerstört wird. 

Ist das denn zu viel verlangt? Kindheit, meine Kindheit, wo bist du denn bloß? Ich habe gar nicht mitgekommen, wie du gegangen bist. Du hättest ja ruhig mal bescheid sagen können, sowas wie „Sorry, Herdis, ich muss jetzt los, ich hoffe, du kommst auch ohne mich zurecht“. Dann hätte ich dich umarmt, ein paar Tränen vergossen und gesagt „Wenn’s wirklich sein muss… Irgendwie komme ich bestimmt alleine klar“, auch wenn es nicht stimmt, wir hätten wenigstens einen Abschied gehabt. Und nun, Kindheit, wo treibst du dich so rum? Du könntest ruhig mal vorbeischauen, mich besuchen, für ein Wochenende oder so. Wir hätten bestimmt eine gute Zeit zusammen. Vielleicht sogar so gut, dass du nicht mehr gehen willst. Und ich würde dich auch nicht rausschmeißen, so viel Platz habe ich gerade noch in meiner Wohnung.


4 Kommentare:

  1. ich stimme dir sowas von zu. ich hätt auch gern meine kindheit zurück...

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  2. so lange man sich an die Schönheit der Dinge in der Kindeheit erinnern kann und die Momente zu schätzen weiss, schlummert es noch in dir, das Kind =)

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  3. Ich bin wohl der einzige Mensch de rsich seine Kindheit nicht zurück wünscht.

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  4. Ich wünsche mir meine Kindheit auch nicht zurück. Ich kann auch so noch auf Kirschbäume klettern oder mich in den Straßen verirren. Und dann einfach irgendwo ein Bier trinken gehen. Und ich kann auch so noch an vielen Tagen sorglos durchs Leben gehen. Und ich liebe die hohe Literatur, die sich in meinen Schränken stapelt! :)

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